Resilienz

Resilienz

Ein Werkzeugkoffer für Krisenzeiten und Herausforderungen

In Zeiten, in denen viele Dinge unsicher und ungewiss und wir ständigen Veränderungen ausgesetzt sind, fällt es vielen von uns schwer, positiv in die Zukunft zu blicken. Menschen mit hoher Resilienz fällt der optimistische Blick nach vorne meistens leichter. Doch was ist Resilienz überhaupt?

Stoßdämpfer für die Seele

Der Begriff Resilienz ist vom lateinischen Wort „resilire“ abgeleitet, was auf Deutsch so viel wie „abprallen“ oder „zurückspringen“ bedeutet. In der Physik beschreibt Resilienz die Eigenschaft von Werkstoffen, die nach einer Verformung wieder in den Ausgangszustand zurückkehren. Übertragen auf die menschliche Psyche, ist Resilienz die Fähigkeit, während
oder nach widrigen Lebensumständen die psychische Gesundheit aufrecht zu erhalten bzw. wieder zu gewinnen.

MMag. Josef Fellner, Leiter der Arbeits- und Organisationspsychologie im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried, beschreibt Resilienz so:

„Resilienz ist für mich die Fähigkeit, gut mit Belastungen umzugehen, in dem Sinn, dass ich mich gut regulieren und Belastungen reduzieren kann.“

Unsere Psyche ist grundsätzlich dafür ausgerichtet, Belastungen abzufangen, ähnlich wie ein Stoßdämpfer bei einem Auto. Je mehr dieser Stoßdämpfer abfangen kann, desto höher ist die Resilienz. Wie resilient ein Mensch ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Zum einen spielt die eigene Biografie eine Rolle. Die Möglichkeiten, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben, um Resilienz zu erlernen sind bei allen Menschen verschieden. Zum anderen nehmen auch Eltern und andere enge Bezugspersonen einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Resilienz. Das erklärt, warum manche Menschen mehr und andere weniger resilient sind. Die gute Nachricht ist: Resilienz kann man lernen!

Werkzeuge für mehr Widerstandsfähigkeit

Wir können verschiedene Strategien erlernen und anwenden, um psychische Entlastung zu schaffen. Hier ist es wichtig zu unterscheiden: Es gibt Strategien, mit denen mittel- bis
langfristig für Entlastung gesorgt und Resilienz gestärkt wird. Dazu gehören zum Beispiel Sport oder Entspannungstechniken. Daneben gibt es Strategien, die nur sehr kurzfristig für
Entlastung zu sorgen scheinen, aber dauerhaft nicht zur Stärkung der Resilienz beitragen. Das sind noch dazu oft gesundheitsreduzierende Handlungen wie Rauchen oder der Konsum von Alkohol.

Menschen können lernen mit Belastungen umzugehen, indem sie verschiedene Werkzeuge und Techniken erlernen. Personen, die über solche Werkzeuge verfügen und diese anwenden können, haben eine hohe Resilienz. Die Werkzeuge, die helfen können mit Belastungen und Stress besser umzugehen, sind sehr vielfältig und können körperliche Aktivitäten, Entspannungsübungen, kognitive Trainings oder Verhaltenstrainings umfassen.

Achtsamkeit

Achtsam zu sein bedeutet, bewusst zu erleben, was gerade jetzt geschieht. Die Aufmerksamkeit richtet sich ganz auf die Gegenwart, ohne mit den Gedanken in die
Vergangenheit oder Zukunft abzuschweifen und ohne das Wahrgenommene zu beurteilen. Für die Resilienz jedes*r Einzelnen bedeutet das, achtsam mit sich selbst
umzugehen und selbstfürsorglich zu sein. Das gelingt mit der Frage: „Was brauche ich jetzt gerade?“. Dabei entsteht ein guter Dialog mit sich selbst und eine höhere Wertschätzung
der eigenen Person. Stressreaktionen können durch achtsamen Umgang unterbrochen werden.

Atemtechniken

Durch Atemtechniken kann der Erregungszustand des Körpers runtergefahren werden. Im ruhigen Zustand können dann Problemlösungsstrategien Anwendung finden.

Perspektivenwechsel

In vielen Situationen kann es hilfreich sein, den Blickwinkel zu verändern. Man kann sich die Frage stellen, was der beste Freund oder die beste Freundin denken würde oder sich
fragen, wie man selbst in einer Woche oder einem Jahr darüber denken wird.

Entspannungstechniken

Entspannung bedeutet, dass der Stoffwechsel und die Aktivitäten des Gehirns reduziert sind, der Puls, die Atemfrequenz und der Spannungszustand der Muskeln sinken. Es gibt
verschiedene Möglichkeiten diesen Zustand zu erreichen:

  • Autogenes Training: Durch Autogenes Training lernt man, Körperfunktionen, die nicht direkt und bewusst angesteuert werden können (z.B. die Herzfrequenz), zu beeinflussen. Ruhe und Entspannung wird mit Hilfe von Konzentrationsübungen erreicht.
  • Progressive Muskelentspannung: Die progressive Muskelentspannung führt durch gezieltes Anspannen und anschließendes Loslassen einzelner Muskelgruppen zu einem entspannten Körpergefühl, Gelassenheit und Ruhe.
  • Traumreisen: Bei Traumreisen hört der*die Zuhörerin einen Text, zu dem er*sie sich Bilder vorstellt, die positive Gedanken und Gefühle sowie Entspannung vermitteln.

Entspannungsmanagement

Es braucht im Leben Phasen der Anspannung, auf die immer wieder Phasen der Entspannung folgen sollten. Entspannung und Erholung sind aber keineswegs passive
Vorgänge, sondern müssen aktiv gestaltet werden. Körperliche Ruhe und Schlaf können ein Weg zur Entspannung sein, aber auch körperliche und geistige Aktivität und Anregung,
wie Sport oder des Erlernen neuer Fähigkeiten, können helfen, sich zu erholen.

Energiemanagement

Nach dem Prinzip „Energy flows, where attention goes“ kann es helfen, sich auf Dinge zu konzentrieren, die man selbst beeinflussen kann – hierzu zählen zum Beispiel die Atmung,
Gefühle oder auch Gedanken. Es ist nicht sinnvoll, Energie auf Dinge zu ver(sch)wenden, die man ohnehin nicht selbst verändern kann. Es tut gut zu wissen, etwas kontrollieren
und bewirken zu können. Resiliente Menschen sind überzeugt, etwas bewirken zu können.

Spiritualität und Religiosität

Für Viele können Glaube und Spiritualität sinnstiftend sein und so zur Resilienz beitragen.

Kompetente Hilfe und Unterstützung

Gerade in herausfordernden und belastenden Zeiten kann die eigene Resilienz an ihre Grenzen stoßen. Stressreaktionen wie schnelle Atmung, Schwitzen, Unruhe, Nervosität und
ein Gefühl der Hilflosigkeit können chronisch werden. Werden sie nicht erkannt oder ignoriert, kommt es häufig zu einer Belastungsreaktion, die Ängste, Schlafstörungen oder
depressive Verstimmungen zur Folge haben kann. Dinge, die früher einfach waren, stellen in dieser Situation eine Herausforderung dar und sind schwer bewältigbar. Das Leben läuft wie ein Film neben einem ab, soziale Kontakte werden reduziert und gemieden. Spätestens dann sollte professionelle Hilfe aufgesucht und angenommen werden, denn mit diesen Gefühlen muss und soll niemand alleine sein!

Mit Hilfe von Gesundheitspsycholog*innen lassen sich frühzeitig Werkzeuge zur Stärkung der Resilienz erlernen und Symptome von Stress- und Belastungsreaktionen meist rasch
umkehren. Dadurch kann es uns gelingen, die Ereignisse so zu verarbeiten, dass wir gestärkt aus schwierigen Zeiten hervorkommen.

Experte im Gespräch: MMag. Josef Fellner

 

Fotocredit: Canva

Quellen

  • Kunzler, Angela; Helmreich, Isabella; Lieb, Klaus (2017): Zauberformel für die Seele, in: PPH – Die Zeitschrift für Psychiatrische Pflege heute, 23: S. 33-38
  • Patzelt, Angelika (2015): Resilienz und Stressmanagement. Eine Untersuchung des Einflussfaktors Resilienz auf die Stressbewältigung am Arbeitsplatz, in: Wirtschaftspsychologie, 4: S.33-43
  • Ekert, Bärbel; Ekert, Christiane (2019): Psychologie für Pflegeberufe, 4. Auflage, Stuttgart/New York
  • Fischer, Renate (2018): Pflegerische Interventionen in Zusammenhang mit dem Schlaf, in: Lauber, Anette; Schmalstieg, Petra (Hrsg): Pflegerische Interventionen, 4. Auflage, Suttgart, S.114-146
  • Payk, Theo; Brüne, Martin (2021): Psychiatrie und Psychotherapie, 8. Auflage, Suttgart/New York
  • Gouzoulis-Mayfrank, Euphrosyne (2016): Therapie in der Psychiatrie, in: Haupt, Walter; Gouzoulis-Mayfrank, Euphrosyne (Hrsg.): Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe, 11. Auflage, Stuttgart/New York, S. 278-331